Die Arbeiten in der Cichoriusstraße 8 laufen auf Hochtouren. Im Sommer sollen schon die Mieter einziehen! Da es sich um Sozialwohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen handelt, brauchen sie dafür den Weißen Wohnberechtigungsschein (WBS) der Stadt Leipzig.
Um den Bau realisieren zu können, werden einige Arbeiten unter fachkundiger Aufsicht in Eigenleistung erbracht. Sprich: die Mitglieder der Genossenschaft, künftige Bewohner, Familien und Freunde packen mit an. Auch eine vierköpfige Familie aus Leipzig ist mit dabei. Hier schildert die Mutter ihren Weg zu inklusivLEben und berichtet von den Arbeitseinsätzen auf der Baustelle:
Ein inklusives Wohnprojekt – am Anfang dachte ich, das richtet sich nicht an uns. Wir sind eine junge Familie, zwei Erwachsene und zwei kleine Kinder, die dringend eine größere Wohnung brauchen. Seit mehreren Jahren wohnen wir im Viertel und beobachten hautnah, wie es sich verändert. Neben den vielen Sanierungen leerstehender Häuser ist uns die Bewegung auf dem Grundstück in der Cichoriusstraße 8 nicht entgangen. Mein Partner ermunterte mich trotz meiner pessimistischen Gedanken, Kontakt aufzunehmen.
Das war im August 2024. Und siehe da – es ist genau eine Wohnung frei, die zu uns passen würde. Ein inklusives Wohnprojekt, das richtet sich eben doch an uns, das richtet sich an jung und alt, an Menschen mit und ohne Behinderung, eben an alle. Entsprechend haben die Wohnungen verschiedene Schnitte und keine Etage gleicht der anderen. Nur dass hier keiner aufgrund baulicher Hindernisse ausgeschlossen wird.
Wir treffen uns auf der Baustelle
Nach der positiven Rückmeldung per Mail folgte erst einmal ein virtuelles Kennenlernen vom Vorstand und später auch den anderen Mitgliedern. Die Idee hinter dem Projekt hatte uns sofort überzeugt, wir traten also der Genossenschaft bei. Doch anders als anfangs gedacht, schaffen wir es mit zwei kleinen Kindern und unter engen räumlichen Verhältnissen nicht zu den virtuellen Treffen der Genossenschaft, die immer abends stattfinden.
Trotzdem sind wir reingewachsen, vor allem durch die Arbeitseinsätze auf der Baustelle. Im Oktober war dazu das erste Mal Gelegenheit, als ein Baumschnitt im Hinterhof anstand. Da gab es bereits den Keller und den Fahrstuhlschacht aus Beton. Auf dem morgendlichen Weg zum Kindergarten kommen wir immer an der Baustelle vorbei und konnten so das Haus aus Holz wachsen sehen. Schließlich startete auch der Innenausbau und damit auch unser regelmäßige Einsatz am Wochenende.
Häuslebauen in XXL
Seitdem ist der Samstag für die Arbeitseinsätze reserviert. Von uns beiden bleibt immer einer mit den Kindern und der andere geht mit anpacken. Oft ist auch mein Bruder mit dabei und ab und an auch mein Vater. Zuerst wurden alle möglichen Ritzen und Löcher mit einem speziellen Klebeband abgedichtet – das ging schnell. Seit Wochen machen wir hauptsächlich eines: Brandschutzplatten anschrauben. Diese Arbeit zieht sich länger hin als gedacht. Wie so typisch für Häuslebauer mussten auch wir erst einmal dazu lernen, aber zum Glück haben wir dafür stets einen Fachmann an unserer Seite.
So eine Brandschutzplatte ist zunächst einmal unhandlich und sauschwer. Die dicke Variante, die in den Wohnungen zum Einsatz kommt, wiegt pro Exemplar 50 Kilogramm. An manchen Stellen können die Platten direkt an die Wand geschraubt werden – dann geht es schnell vorwärts. Aber bitte den blauen Kleber nicht vergessen, der immer wieder dazwischen kommt. Und gut aufpassen, denn der klebt auch gut in Haaren und an der Haut!
Learning by doing
An vielen Stellen geht es aber nicht ohne Zuschnitte. Zu jedem Einsatz ist daher ein Erfahrener an der Säge dabei. Manchmal ist es eine regelrechte Puzzlearbeit, besonders, wenn andere Gewerke im Innenausbau schneller waren als wir. Manchmal passt das zugeschnittene Teil nicht richtig, trotz sorgfältigen Messens – ein Holzbau hat seine Unebenheiten. Manchmal wiederum sind Nacharbeiten nötig. Auf der Hälfte der Strecke haben wir beispielsweise gemerkt, dass die Schraubenköpfe viel tiefer in der Platte verschwinden müssen, um vom Putz abgedeckt zu werden, sonst gibt es später unschöne Rostflecken. Seitdem wird für jede Schraube vorgebohrt, bereits verbaute Platten müssen noch nachgearbeitet werden. Aber hey, das gehört zum Learning eben dazu.
Neben dem Haus wächst auch die Gemeinschaft
Dafür sehen wir auch jede Woche, wie es vorwärts geht im Haus. Erst kamen die Fenster und Türen, Elektrik und Trockenbauwände. Nun liegt in der Hälfte des Hauses der Untergrund für den Estrich, die Trittschalldämmung und die Fußbodenheizung schlängelt sich durch die Räume. Es wird! Ein Teil der helfenden Hände ist mittlerweile auch auf dem Dach unter der fachkundigen Aufsicht eines Dachdeckers im Einsatz. Dabei wurden die Verankerung für das Geländer ausgerichtet sowie Vlies, Dränage-Elemente und Split für das Gründach aufgebracht. Der Blick hier oben über die Dächer ist wirklich schön. Man kann etwa das Völkerschlachtdenkmal und den großen Kronkorken mit Stern auf der Sternburgbrauerei sehen. Deshalb zieht es die meisten von uns nach getaner Arbeit auf das Dach und wir freuen uns, was wir geschafft haben und wir spüren es auch. Das gemeinsame Arbeiten schafft aber vor allem eines: Gemeinschaft.